October 1972
Pardon
Gerd Winklers Kunstwetterlage

OGOTTOGOTT!

Die unkeuschen Kinder krähen vor vergnügen; der feine Herr sitzt auf der Wurst; böse Buben stoßen einen Türken in die Schlucht; schon wieder greift der Kerl dem Jungen in den Mund! Der Mann, der solche Sachen als Mischtechnik (Farbstifte auf Aquarell und Tusch) in die Kunst einbringt, heißt Gottfried Helnwein, ist 24 Jahre alt, wirkt in Wien und liebt Kinder. Weil er das tut, malt er sie als Monstren mit lädierten und geflickten Köpfen. Viele Österreicher finden das peinlich. Karl Stingel, Bürgermeister in Mödling bei Wien, alarmierte sogar die Polizei. Doch nicht alle Österreicher sind Kunstmuffel. Unterrichtsminister Sinowatz verlieh dem Maler makabrer Kinder den "Kardinal-König-Preis".

PARDON sprach mit Gottfried Helnwein: "Oft werde ich von aufbrausenden Jugendlichen fälschlicherweise, wie ich sagen muß, als Nazi-Sau bezeichnet, weil ich ein in Blut- und Boden-Manier gemaltes Hitlerbild ausstellte. Sogar Altmeister Fuchs erhob den väterlichen Zeigefinger."

Peinlich (Embarrassing) 1971
http://www.helnwein.org/werke/watercolors/group29/image997.html

Verunstaltete, gequälte, geifernde, mißgestaltete, schüchterne, liebenwerte, aufgeklärte und zurückgebliebene Kinder - das ist die bevorzugte Motivskala des jungen österreichischen Malers Gottfried Helnwein, den wir diesmal als Neuentdeckung der Kunstwetterlage vorstellen. Das "Wiener Wochenblatt" schrieb unlängst anläßig einer Helnwein-Austellung: "Seine Bilder wird sich kaum jemand ins Wohnzimmer hängen. Wer sie anschaut, dem vergeht die Lust auf so manches." Das Blatt irrt. Der Kreis von Helnwein-Sammlern wächst. Und mittlerweile ist der 24-jährige Maler auch schon zu andern Ehren gekommen: Unterrichtsminister Sinowatz verlieh ihm den "Kardinal-König-Preis".